Was bedeutet barrierefreies Internet?

N26
N26 Magazine - Deutsche Ausgabe
5 min readOct 30, 2017

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Hugo Giraudel, Front-End-Entwickler bei N26 erklärt uns das barrierefreie Internet. Die Problematik der Integration von Menschen mit Behinderung in unsere Gesellschaft wird häufig in den Medien thematisiert. Im Zusammenhang mit Websites findet dieses Thema jedoch kaum Beachtung. In dem folgenden Interview wird Licht auf diese noch zu häufig im Dunkeln schlummernde Facette des World Wide Web geworfen.

Raphael: Was ist deine Aufgabe bei N26?

Hugo: Ich bin Front-End-Entwickler. Hauptsächlich bin ich für die Barrierefreiheit zuständig und für die Entwicklung einer Qualitätskultur für unsere Internetplattform.

R: Wie definierst du Barrierefreiheit?

H: Barrierefreiheit im Internet bedeutet, dass jedem, unabhängig von seinem körperlichen, geistigen oder kognitiven Zustand, derselbe Inhalt zugänglich ist. Es gibt unterschiedliche Definitionen, aber das Prinzip ist stets dasselbe. Das Ziel ist, jedem Einzelnen Zugang zu unseren Inhalten und zu unseren Diensten zu ermöglichen.

R: Woher stammt der Begriff?

H: Der Begriff ist identisch mit der Verwendung außerhalb des Webs, also zum Beispiel barrierefreie Gebäude oder Plätze, Verkehrsmittel oder Dienstleistungen… Tatsächlich ist ein Bewusstseinsprozess in Bezug auf das Web angestoßen: Es soll für alle zugänglich sein, so wie jede andere Plattform auch. Auf der englischsprachigen Seite von Wikipedia lautet die Definition: „Der barrierefreie Internetzugang entsteht über die integrative Beseitigung von Barrieren für Menschen mit Behinderung, die diesen den Zugang zu und die Interaktion mit Internetseiten versperren.“

R: Wen betrifft denn heute das Thema Barrierefreiheit? Im „realen Leben“ sind wir uns dessen bewusst, dass nicht alle Orte für Menschen im Rollstuhl zugänglich sind. Was bedeutet das übertragen aufs Web?

H: Es gibt 4 große Gruppen von Behinderung. Einmal die Sehbehinderung, die im Zusammenhang mit dem Internet die problematischste ist, weil das Medium hauptsächlich über einen Bildschirm funktioniert. Davon betroffen sind blinde Menschen, Farbenblinde, Menschen mit grauem Star und andere.

Die zweite Gruppe betrifft die kognitiven Behinderungen. Zum Beispiel demente Menschen. Das ganze Spektrum des Autismus. Diese Gruppe ist schwer einzugrenzen. Zu ihr zählen auch Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit oder posttraumatischem Stresssyndrom. In dieser Gruppe finden sich viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Schweregraden ihrer Einschränkung.

Die dritte Gruppe betrifft Menschen mit körperlichen Behinderungen, wie ein gebrochener Arm oder eine einfache Sehnenscheidenentzündung. Zu dieser Gruppe zählt auch Parkinson.

Die vierte Gruppe betrifft Menschen mit Höreinschränkungen. Es gibt Gehörlose und Schwerhörige.

Und ich denke in Zukunft wird es auch noch eine fünfte Gruppe geben: Menschen mit Stimmbeeinträchtigungen. Durch Sprachassistenten wie Alexa, OK Google oder Siri wird man in Zukunft auch an Stumme denken müssen, an Stotterer, an Menschen mit einer Kehlkopfentzündung…

R: Woher kommt es, dass die Medien dieses Thema so stiefmütterlich behandeln?

H: Ich gebe dazu keine Erklärung ab. Es gibt keine guten Gründe, so wenig darüber zu sprechen. An die Zugänglichkeit einer Plattform, eines Ortes sollte nicht erst gedacht werden, wenn die Voraussetzungen dafür (Zeit, Geld oder Lust) gegeben sind. Dies sollte vielmehr im Zentrum unseres Tuns stehen. Wenn wir unsere Produkte nicht für jeden entwickeln, also auch für Menschen mit einer Behinderung, muss man sich die Frage stellen warum.

R: Ist es nicht kompliziert, bei der Herstellung eines Produkts oder einer digitalen Plattform, alle oben erwähnten Behinderungen zu berücksichtigen?

H: Ja, das ist kompliziert, aber niemand hat gesagt, dass es einfach sein muss. Natürlich stimmt es auch, dass es niemals perfekt für alle sein wird. Das ist ein unerreichbares Ziel. Dennoch gibt es zwei wichtige Punkte:

Erstens ist das Beste, was wir tun können, jeden zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass jeder Zugang zu Web-Inhalten haben kann. Es wird nicht zwangsläufig jeder Nutzer dasselbe Erlebnis haben, aber alle Menschen, mit oder ohne Behinderung, sollten die Inhalte nutzen und Zugang zu den Dienstleistungen haben können.

Zweitens ist es mit Sicherheit kompliziert, aber das macht unsere Arbeit auch interessant. Nebenbei ist das die Grundlage unserer Arbeit. Wenn wir etwas für die Nutzer entwickeln, dann machen wir dies für jeden einzelnen, nicht nur für Privilegierte. Ein Mensch ohne Behinderung ist ein Privilegierter.

R: Wie arbeitet man bei N26 an der Barrierefreiheit?

H: Wir sind in der glücklichen Lage, unsere Webplattform seit einem Jahr von A bis Z umzustrukturieren. Das ist die ideale Gelegenheit mit guten Grundlagen neu durchzustarten! Wir achten bei der Erstellung von Inhalten von Anfang an darauf, eine größtmögliche Anzahl verschiedener Personengruppen in den Fokus zu stellen, vor allem Farbenblinde und Blinde, die einen Bildschirmleser verwenden. Für uns ist das ein wichtiger Schwerpunkt.

Außerdem gehen wir sparsam mit Animationen um. Für Menschen mit Aufmerksamkeitsdefizit oder mit einer Bewegungsstörung könnte sonst der Zugang zu unseren Inhalten erschwert sein.

Wir bemühen uns, uns ständig vor Augen zu führen, dass wir nicht alle gleich sind. Wir geben unser Bestes, um alle ins Boot zu holen. Das ist eine schwierige Aufgabe.

Im Vergleich zu früher machen wir uns viel mehr Gedanken über die zukünftigen Nutzer von N26. Wir fragen uns, wer unsere Nutzer sind und welche Behinderungen sie möglicherweise haben: leichte oder schwere, vorübergehende oder ständige.

R: Wie ist deine Arbeit als Front-End-Entwickler davon betroffen?

H: Gar nicht so sehr, denn ich habe kodieren nie anders gelernt. Ich habe den Umgang mit Barrierefreiheit bei N26 eingeführt. Eingebunden sind vor allem meine Arbeitskollegen. Ansonsten bedeutet es kurz gefasst, dass man sich am Anfang die relevanten Fragen stellt, um Missverständnisse zu vermeiden und Dinge nicht ein zweites Mal machen zu müssen. Man kann sagen, Arbeit an der Barrierefreiheit ist keine Mehrarbeit, sondern es bedeutet eine zielgerichtete und korrekte Arbeitsweise.

R: Was schlägst du Leuten vor, die mehr darüber erfahren wollen? Können sie dir folgen?

H: Für interessierte Designer oder Entwickler gibt es mehrere Quellen, wie A11Y Project, WebAIM oder The Paciello Group. Auf Twitter kann man auch einigen Leuten folgen: Léonie Watson, Heydon Pickering, Gaël Poupard und Amelia Bellamy-Royds. Auch mir kann man auf Twitter folgen.

R: Ein abschließendes Statement?

H: Das Web ist für alle da, der Zugang sollte daher nicht an letzter Stelle stehen. Das sollten wir uns zu Herzen nehmen.

Danke für die Lektüre des Interviews, du kannst auch das Interview mit Jack Lancaster über unsere Einführung des 3D Secure-Protokolls lesen. Mach‘s gut, bald gibt es weitere spannende Informationen über N26.

Lade dir die N26 App im Apple App Store oder Google Play Store herunter.

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